Braucht Dein Lieblingsclub eine eSports-Abteilung?

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Vor einigen Wochen habe ich die aus meiner Sicht zukunftsweisenden Fragen für den Fußball aufgeschrieben. Eine davon lautete: Brauche ich eine eSports-Abteilung?

Leider ist die Antwort hierauf alles andere als leicht. Obwohl diese geschlossene Frage eigentlich nach einem Ja oder Nein als Antwort fragt, kann man sie guten Gewissens eigentlich nur mit es kommt drauf an beantworten.

Worauf es ankommt, schauen wir uns heute an und wollen am Ende eine kleine, übersichtliche und vereinfachte Tabelle erstellen, die jeder Club zur Beantwortung dieser Frage nutzen kann.

Abwägung nötig

Bei Aufgaben, die nicht eindeutig lösbar sind, müssen wir die Vor- und Nachteile abwägen. Genau das habe ich in dem heutigen Beitrag vor.

Deshalb schauen wir uns die Chancen und die Risiken von eigenen eSports-Abteilungen aus Sicht eines typischen Fußballclubs an.

Natürlich hängt die genaue Ausprägung der Vor- und Nachteile vom konkreten Club ab, der sich diese Frage gerade stellt. Genauso variiert sicherlich auch die Gewichtung der einzelnen Kriterien.

Wir können somit in diesem Beitrag nicht für jeden einzelnen Club beantworten, ob er eine eigene eSports-Abteilung braucht. Das ist von außen natürlich sowieso schwierig.

Was heißt eSports-Abteilung?

Schauen wir uns vorher noch einmal kurz an, was genau wir unter einer eSports-Abteilung verstehen.

Wenn ein Fußballclub eine eSports-Sparte einführen möchte, muss dafür innerhalb der Organisation ein Bereich geschaffen werden.

In diesem Beitrag möchte ich im Wesentlichen zwei unterschiedliche Fokusse differenzieren.

eSports-Abteilung: Verschiedener Fokus
eSports-Abteilung: Verschiedener Fokus

Ein Fußballclub kann entweder eine eSports-Abteilung mit Fußballfokus oder eine mit reinem eSports-Fokus errichten.

Im Falle des Fußballfokus wären die zugrunde liegenden Spiele vor allem FIFA und/oder Pro Evolution Soccer (PES). Sollte der Club sich jedoch für die größere Variante entscheiden, ist der Fantasie keine Grenzen gesetzt.

Neben League of Legends, Dota 2 und Counter Strike sind alle weiteren eSports-tauglichen Spiele denkbar.

Chancen einer eigenen eSports-Abteilung

Im ersten Abschnitt möchte ich mich auf drei Chancen einer eigenen eSports-Abteilung konzentrieren.

Top 3 Chancen einer eigenen eSports-Abteilung
Top 3 Chancen einer eigenen eSports-Abteilung

Diese werden wir nach und nach einzeln durchgehen.

Neue Fans

In meinem Gespräch mit Tim Reichert – dem eSports-Verantwortlichen von Schalke 04 – hat er mir verraten, dass das Erreichen neuer Zielgruppen ein wesentlicher Einflussfaktor für die Einführung einer eSports-Abteilung war.

Dabei geht es im wesentlichen um zwei Punkte.

  1. Junge Zielgruppe: Gerade die Millenials (geboren um die Jahrtausendwende) konsumieren eSports viel stärker als ältere Generationen.
  2. Internationalisierung: Darüber hinaus ist eSports im internationalen Umfeld (insb. Asien) wesentlich massenmarkttauglicher als hierzulande.

Um zu beantworten, wie groß das Potenzial zum Erreichen neuer Zielgruppen ist, müssen wir uns die Überschneidung mit der Fußball-Zielgruppe anschauen.

Unterscheiden wir nun zwischen Fußball- & eSports-Fokus, stellen wir folgendes fest.

Die eSports-Fans, die wir durch FIFA & PES (Fußballfokus) erreichen, sprechen hauptsächlich bestehende Fußballfans an. Diese sind eventuell bereits Fans meines Clubs oder aber haben ihr Herz bereits an einen anderen Club vergeben. Es wird vermutlich sehr schwierig, die Fans dazu zu bewegen, den Lieblingsclub zu wechseln.

eSports-Fans anderer Spiele wie beispielsweise League of Legends haben im besten Falle bisher überhaupt nichts mit Fußball zu tun gehabt. Es ist natürlich nicht einfach, diese von einem für sie neuen Sport zu überzeugen. Sollte dies gelingen, ist die Aussicht auf eine erfolgreiche Überzeugung vom eigenen Club jedoch wesentlich größer als beim Fußballfokus.

Imagevorteil

Schauen wir uns potenzielle Auswirkungen auf das Image eines Fußballclubs durch die Einführung einer eigenen eSports-Abteilung an.

Dieses Image beziehe ich jetzt nicht nur auf die eigenen Fans, sondern auch auf Mitarbeiter, Sponsoren sowie alle Branchen-Interessierten.

Diesbezüglich kann ich nur aus eigener Erfahrung sprechen. Wenn ein Fußballclub eine eSports-Abteilung einführt (und sich dabei einigermaßen geschickt anstellt) wirkt das auf mich innovativ.

Ich würde in diesem Zusammenhang auch nicht zwischen Fußball- & eSports-Fokus unterscheiden. Ob ich nun lediglich einen FIFA-Spieler oder gleich ein gesamtes League of Legends-Team einstelle, sei dahingestellt. Beides hat ein gewisses Innovationspotenzial, was ich befürworte.

Verdienstpotenziale

Kann man mit eSports Geld verdienen? Ja! Viele eSportler bestreiten ihren Lebensunterhalt damit, Videospiele zu spielen.

Die Vorreiter der Bundesliga im Hinblick auf eSports – Schalke 04 und der VfL Wolfsburg – verdienen jedoch bisher noch kein Geld damit. Das habe ich auf der DIGITAL SPORTS & ENTERTAINMENT 2017 erfahren.

Natürlich planen beide Clubs damit, zukünftig Geld mit ihren eSports-Abteilungen zu verdienen. Das ist rein theoretisch auch heute schon möglich.

Der eSports-Markt wird in Deutschland für das Jahr 2016 auf ca. 50 Millionen Euro geschätzt und soll bis 2020 auf 130 Millionen Euro wachsen. Das entspricht einem Wachstum von ca. 27 % pro Jahr.

Damit wächst der virtuelle Sport noch schneller als die Bundesliga, die laut DFL Report 2017 um knapp 24 % gewachsen ist. Dabei dürfen wir aber natürlich nicht vergessen, dass Wachstum auf kleinerem Niveau, wie es der eSports hat, grundsätzlich einfacher ist, als jenseits einer Milliarde Euro.

Für diesen Vorteil möchte ich jedoch wieder die beiden aufgezeigten Fokusse unterscheiden. Die Verdienstpotenziale liegen aktuell nämlich in den klassischen eSports-Bereichen deutlich höher als bei den Fußballspielen FIFA und PES.

Finanziell ist somit der eSports-Fokus – Stand jetzt – etwas attraktiver als der Fußballfokus.

Risiken einer eigenen eSports-Abteilung

Leider gibt es bei der Entscheidung für eine eigene eSports-Abteilung auch Risiken. Heute wollen wir uns auf drei davon fokussieren.

Top 3 Risiken einer eigenen eSports-Abteilung
Top 3 Risiken einer eigenen eSports-Abteilung

Abschrecken der Fans

Aus meinen Gesprächen mit zahlreichen Experten und Verantwortlichen weiß ich, dass das größte Risiko in einer Abschreckung der eigenen Fans gesehen wird.

Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass Fußballfans einem bestimmten Club den Rücken zukehren, sobald dieser eine eigene eSports-Abteilung einführt.

Beispiel St. Pauli & RB Leipzig

Dies ist denkbar, wenn das Thema eSports nicht zum Markenkern eines Clubs passt und die Einführung einer eigenen Abteilung somit nicht authentisch wäre. Nehmen wir folgende Beispiele:

Der FC St. Pauli positioniert sich kritisch gegenüber kommerziellen Bewegungen im Profifußball. Beispielsweise wurde das Logo von RB Leipzig bei einem Spiel im Millerntor nicht gezeigt.

Die Einführung einer eSports-Abteilung bringt ebenfalls gewisse kommerzielle Aspekte mit sich, da eSports häufig in einem Atemzug mit der Digitalisierung des Fußballs genannt wird.

Sicherlich ist elektronischer Sport in diesem Kontext nur eine Facette von vielen. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass die Fans nicht begeistert wären, wenn St. Pauli auf einmal eine eSports-Abteilung einführt.

Anders ist es beispielsweise bei RB Leipzig. Aufgrund des Markenbildes von Red Bull, was den Leipziger Club stark prägt und vor allem für Emotionalität, Rationalität und Kommerzialisierung steht, ist die Einführung einer eSports-Abteilung nahe liegend.

Bewertung des Risikos

Für dieses Risiko möchte ich erneut meine Trennung der beiden Fokusse nutzen. Ich schätze, dass das Risiko der Abschreckung beim Fußballfokus durch FIFA und/oder PES sehr gering ist.

Ein Großteil der Fußballfans spielt diese Spiele selbst. Sollte ein Club demnach eSportler verpflichten, die diese Spiele professionell spielen, dürften ihm das die wenigsten Fans verübeln.

Etwas kritischer steht es natürlich um die Spiele des eSports-Fokusses (League of Legends & Co). Insbesondere bei Counter Strike, was ein reines Ego-Shooter Spiel ist, in dem sich Terroristen und eine Antiterror-Einheit gegenseitig umbringen.

Dieses Spiel, was unter die Kategorie „Ballerspiel“ fallen könnte, hat für viele einen faden Beigeschmack. Aber auch League of Legends & Co haben an sich wenig mit Fußball zu tun, weshalb die Frage warum sollte ein Fußballclub diese Spiele anbieten? näherliegt, als bei FIFA & PES.

Imageschaden

Imagevorteil war eine Chance. Wieso kann Imageschaden dann gleichzeitig ein Risiko sein?

Ganz einfach. Vor der Einführung einer eigenen eSports-Abteilung weiß niemand, ob diese sportlich erfolgreich sein wird. Bei ausbleibendem Erfolg kann kann aus der Chance eines Imagevorteils schnell ein Imageverlust werden.

Das Ansehen eines erfolgreichen oder zumindest etablierten Proficlubs würde unter einer wenig erfolgreichen eSports-Abteilung leiden.

Der FC Schalke ist hierbei wieder ein gutes Beispiel. Das erste Jahr nach der Einführung einer eigenen eSports-Sparte lief nicht gut. Man musste sich heftiger Kritik stellen. Zurecht.

Ein Jahr später wurde der Wiederaufstieg geschafft und man hat laut eigener Aussage aus den eigenen Fehlern gelernt.

Zwischen den beiden von mir aufgestellten Fokussen möchte ich an dieser Stelle nicht unterscheiden. Das Risiko des Imageschadens bei Misserfolg besteht aus meiner Sicht sowohl bei FIFA & PES als auch bei League of Legends & Co.

Geld verbrennen

Auch das Thema Geld ist Chance und Risiko zugleich. Bei erfolgreicher Teilnahme an verschiedenen Turnieren, durch zusätzliche Sponsoringaktivitäten, Merchandising & Co kann viel Geld verdient werden.

Bei ausbleibendem Erfolg kann jedoch auch Geld verloren werden. Hier möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass die Gehälter im eSports aktuell noch weit unter denen im Fußball liegen.

Als professioneller eSportler kann man von dem Gehalt je nach Spiel zwar gut bis sehr gut leben. Bis zum Gehalt eines Fußballers ist jedoch noch ein weiter Weg zu gehen.

Widmen wir uns auch hier wieder einer Unterscheidung zwischen Fußball- und eSports-Fokus.

Der Aufbau einer eSports-Abteilung mit Fußballfokus dürfte hierbei wesentlich günstiger sein, als beispielsweise die Etablierung eines Teams in League of Legends.

Die Begründung ist einfach: Während FIFA & PES von Einzelspielern gespielt wird, werden League of Legends & Co als Team (in der Regel 5 Spieler + Ersatzspieler) gespielt.

Aus diesem Grund dürften die Gehaltskosten, die bei den Spielen des eSports-Fokus sowieso höher sind, insgesamt nochmal höher liegen und stärker ins Gewicht fallen.

Kriterientabelle zur Abwägung

Fassen wir die bisher gewonnen Erkenntnisse noch einmal in einer Tabelle zusammen. Zusätzlich zu der bloßen Zusammenfassung habe ich Chancen und Risiken der Einführung einer eigenen eSports-Abteilung bewertet.

Dabei habe ich eine einfache Skala angenommen. 1 beschreibt eine geringe Chance bzw. ein geringes Risiko. 3 hingegen beschreibt eine große Chance bzw. ein großes Risiko.

Bei der Chancenbetrachtung gilt demnach:

Je höher der Gesamtwert, desto größer sind die Chancen durch die Einführung einer eSports-Abteilung. Hier ist ein hoher Wert gut.

Hingegen ist es bei der Risikobetrachtung genau umgekehrt:

Je höher der Gesamtwert, desto größer sind die Risiken durch die Einführung einer eSports-Abteilung. Hier ist ein hoher Wert schlecht.

Meine Bewertung der Kriterien zur Einführung einer eSports-Abteilung
Meine Bewertung der Kriterien zur Einführung einer eSports-Abteilung

In diese Tabelle kann nun jeder Verantwortliche seine persönliche Gewichtung eintragen sowie nach Belieben weitere Kriterien ergänzen.

Dieses Vorgehen zeigt, dass bei der Entscheidung für oder gegen eine eigene eSports-Abteilung immer ein gewisses Bauchgefühl eine Rolle spielen wird.

Wichtig ist mir nur, dass eine Entscheidung getroffen wird. Denn eine Entscheidung ist immer besser als keine Entscheidung.

Mein Bauchgefühl

Ich könnte die Tabelle für mich ausfüllen. Das hätte allerdings wenig Aussagekraft, da die wirklich wichtigen Dinge (das Gewicht) wie gesagt von jedem Club selbst ausgefüllt werden muss.

Aber ich kann soviel sagen: Über die Einführung eines League of Legends Teams würde ich zwei Mal nachdenken. Im Bereich FIFA würde ich versuchen mich schnellstmöglich mit wirklich relevanten Experten zu verknüpfen, so wie Schalke 04 es mit Tim Reichert gemacht hat.

Das Risiko, damit die eigenen Fans abzuschrecken, schätze ich sehr gering ein. Natürlich werden damit auch keine neuen Fans angesprochen, aber lernen kann man als Fußballclub dennoch daraus.

Hinzu kommt ein weiterer positiver Nebeneffekt.

Positiver Nebeneffekt – Lernen

Sollte die Entscheidung zugunsten einer eigenen eSports-Abteilung ausfallen, ist diese aus meiner Sicht wie ein club-internes Startup zu sehen. Am Anfang ist es eben gut möglich, dass etwas Geld verloren und dafür einiges gelernt wird.

Denn eines ist sicher: Durch die Auseinandersetzung könnte ein gesamter Club von neuen, frischen Denkweisen profitieren – beispielsweise im Hinblick auf den Umgang mit den Profis in Zeiten dominierender sozialer Netzwerke.

In den Verträgen von eSportlern ist es mittlerweile Gang und Gebe, dass diese sich verpflichten im Namen ihres Clubs eine gewisse Spielzeit live (auf twitch.tv) zu streamen und so zur Markenbildung beitragen.

Ähnliche Konzepte ließen sich mit Sicherheit auch auf den Fußball übertragen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Clubs sich mit eSports auseinandersetzen.

Gerne würde ich darüber wieder einmal mit Dir diskutieren.


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