Verhungernde Ratten & Wettbewerb im Fußball

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Nach dem Abschluss der Serie zu den Personalkostenquoten der Bundesligisten widmen wir uns einem neuen Themenkomplex: dem positionalen Wettbewerb beziehungsweise Rattenrennen im Fußball.

Um dieses Phänomen möglichst anschaulich zu erklären, bedienen wir uns einer Metapher aus dem wissenschaftlichen Bereich – dem Rattenrennen. Sie wurde geprägt von George Akerlof. In den Seminaren, die ich gebe ist dieser Abschnitt einer meiner liebsten. Gleich werdet Ihr sehen, warum.

Unterschiede zum klassischen Wettbewerb

Die Fußball-Branche unterscheidet sich maßgeblich von klassischen Märkten und Unternehmen.

Wachsende Märkte

In klassischen Märkten ist es gut möglich, dass alle Wettbewerber am Ende eines Jahres um 10% gewachsen und damit zufrieden sind. Dies ist natürlich nur dann möglich, wenn der gesamte Markt um 10% wächst.

Im Profifußball können die Fußballclubs umsatzseitig innerhalb eines Jahres ebenfalls enorm wachsen. Im Beitrag zur Kommerzialisierung der Bundesliga habe ich dies bereits erläutert. Von Jahr zu Jahr wächst der Fußball-Markt über.

Das gilt auch für (fast) alle Clubs. In einem separaten Beitrag bekommst Du eine Übersicht über die verschiedenen Umsatztreiber. Dabei wächst insbesondere die mediale Verwertung & Werbung.

Sportliche Ziele von Fußballclubs

Das Ziel der Fußballclubs ist jedoch nicht das Umsatzwachstum, sondern der sportliche Erfolg. Selbstverständlich erleichtern hohe Umsätze das Erreichen der sportlichen Ziele (höherer Spieleretat, mehr Geld für Spielerverpflichtungen etc.), aber die Handlungsmaxime der Verantwortlichen laufen alle auf sportlichen Erfolg hinaus.

Wie klassische Unternehmen versuchen auch Fußballclubs die Zukunft zu planen. Dabei gilt einmal mehr ein bekanntes Zitat von Albert Einstein.

„Planung ersetzt Zufall durch Irrtum“ [Albert Einstein]

Positionaler Wettbewerb erschwert Planung

Klassische Unternehmen prognostizieren die zukünftigen Umsätze, Kosten und somit die Profitabilität. Wie eingangs bereits geschildert, können alle klassischen Unternehmen auf diese Art und Weise ihre aufgestellte Planung erreichen und das Geschäftsjahr somit zufrieden abschließen.

Fußballclubs hingegen versuchen den sportlichen Erfolg zu antizipieren und die Planungen darauf auszurichten. Gemessen werden die Erfolge am Ende der Saison an der Tabelle des nationalen Ligawettbewerbs, dem Abschneiden im nationalen Pokal sowie der Performance in den internationalen Wettbewerben.

Genau hier liegt das Problem in den Planungen der Fußballclubs. Schauen wir uns ausschließlich die Planungen für das Abschneiden in der Bundesliga an, werden wir feststellen, dass es unmöglich ist, alle Planungen zu erfüllen. Beispielsweise wird kein Fußballclub planen die Bundesliga als Letzter abzuschließen und sang und klanglos in die 2. Bundesliga abzusteigen.

Selbst ein sehr schlechter Aufsteiger wird als Ziel den Klassenerhalt ausgeben. Die Plätze 17 & 18 werden somit in keiner Planung vertreten sein. Trotz der Relegation ist der 16. Platz ebenfalls äußerst unattraktiv, sodass 18 Fußballclubs sich in ihren Planungen auf 15 Plätze verteilen. Zielverfehlung und Unzufriedenheit sind hierbei vorprogrammiert.

Aller Voraussicht nach wird es sich mit den Tabellenplätzen für die Qualifikation zur Europa & Champions League ähnlich verhalten. Auch hierbei werden mehr Clubs versuchen diese Plätze zu erreichen, als Plätze zur Qualifikation zur Verfügung stehen.

Fußballclub im positionalen Wettbewerb

Positionaler Wettbewerb bedeutet nun, dass die Performance eines Fußballclubs maßgeblich von der Performance seiner Wettbewerber abhängt. Während klassische Unternehmen in der Regel um die Gunst der Kunden kämpfen, treten Fußballclubs direkt gegeneinander an.

Verbessern kann sich ein Club hierbei durch die Stärkung des eigenen und/oder Schwächung eines oder mehrerer gegnerischen Teams. Wechselt beispielsweise Robert Lewandowski nach einer erfolgreichen Saison von Borussia Dortmund zu Bayern München, können sich die Münchner gleich doppelt freuen.

Rattenrennen und dessen Konsequenzen

Um uns die Konsequenzen des positionalen Wettbewerbs anzuschauen, bedienen wir uns der Methapher des Rattenrennens von George Akerlof. Er definierte diese Veranschaulichung 1976 in einem Beitrag des Quarterly Journal of Economics: The Economics of Caste and of the Rat Race and Other Woeful Tales

Ausgangssituation & Regeln

Stellen wir uns zur Veranschaulichung 18 Ratten in der Startzone eines verkürzten Rennens von 10m Länge vor. Vor dem Startschuss sind die Ratten  nervös und blicken sich zu ihren Nachbarn um. Im Zieleinlauf wartet ein großes Stück Käse.

Sobald die erste Ratte die Ziellinie überquert, wird der Käse in der Mitte geteilt. Die eine Hälfte geht als Preis an die Sieger-Ratte während die andere für die restlichen 17 Ratten übrig bleibt.

Überquert die zweite Ratte die Ziellinie, wird die übrig gebliebene Hälfte erneut geteilt. Somit erhält sie ein Viertel des gesamten Käses. Ebenfalls wiederum ein Viertel bleibt für die restlichen 16 Ratten übrig. Dieses Vorgehen wird wiederholt, bis alle Ratten im Ziel sind und der Käse somit komplett verteilt ist.

Einflussfaktoren

Der Ausgang des Rennens hängt von drei Einflussfaktoren ab:

  1. Fixe Eigenschaft: Diese fixe Eigenschaft beschreibt das Talent einer Ratte schnell zu laufen. Es wird bei der Geburt festgelegt. Durch hartes Training kann das Talent zu einer hohen Leistungsfähigkeit führen.
  2. Variabler Faktor: Jede Ratte kann sich vor dem Start überlegen, wie viel Energie sie in das Rennen investieren möchte. Eine Ratte, die keinen Wert darauf legt, zu gewinnen, kann die 10m lange Strecke ganz gemütlich entlang spazieren. Möchte eine Ratte jedoch gewinnen, muss sie womöglich von vornherein alles geben.
  3. Zufall: Dieser ist per Definition nicht beeinflussbar. Nichts desto trotz ist es beispielsweise denkbar, dass eine Ratte umknickt, angerempelt wird oder über eine Papierkugel stolpert.

Um das Ergebnis bestmöglich für sich zu beeinflussen, werden alle Ratten möglichst viel ihres variablen Faktors (Energie) investieren. Schließlich wird sich keine Ratte freiwillig mit dem kleinsten Stück Käse zufrieden geben.

Ergebnis

Besonders spannend wird es, wenn wir uns das imaginäre Rennen als ein geschlossenes System vorstellen. Das bedeutet, dass von außen nichts auf die Ratten einwirkt. Somit darf den Ratten keine Energie von extern zugeführt werden.

Die einzige Energiequelle, die somit übrig bleibt, ist das Stück Käse im Ziel. Diese Tatsache erhöht den Handlungsdruck auf die Ratten ungemein und wird zu noch größerer Anstrengung führen. Erschwerend hinzu kommt, dass keine Ratte genau weiß, was die andere plant (Unwissenheit).

Dieses Gedankenspiel beschreibt zum Ende hin ein Paradoxon (etwas an sich Unlogisches). Da jede Ratte gewinnen möchte, um das größte Stück Käse (Energie) zu erhalten, investieren sie Unmengen an Energie. Im Endeffekt ist die Summe der investierten Energie aller Ratten größer als die Summe an Energie, die der Käse bereitstellen kann.

Konsequenzen

In der Konsequenz können wir davon sprechen, dass die Ratten zu Überinvestitionstendenzen oder Überschuldung neigen. Würden wir das Rattenrennen demnach häufiger wiederholen, würde dies nach einer gewissen Zeit zu verhungernden Ratten führen.

Fazit zum Rattenrennen

Die Planung eines Fußballclubs ist aufgrund des positionalen Wettbewerbs hoch komplex. Jegliche Entwicklungen hängen maßgeblich von der sportlichen Performance ab. Diese wiederum kann durch eigene Verstärkungen oder Schwächung der Wettbewerber verbessert werden.

Um die Konsequenzen dieser Wettbewerbsdynamiken besser zu verstehen, eignet sich das Rattenrennen. Dieses imaginäre Gedankenspiel zeigt auf, warum die Ratten aufgrund von Unsicherheit dazu neigen, sich langfristig selbst zu schaden.

Ausblick

Vielleicht hast Du bereits die möglichen Parallelen zur Bundesliga erkannt. Im nächsten Beitrag werde ich diese aufzeigen und die Frage beantworten: Unterliegt die Bundesliga dem Effekt des Rattenrennens?


Hast Du zum Rattenrennen eine Meinung? Diese interessiert mich brennend und ich würde mich über einen Kommentar freuen! So viel sei vorweg bereits verraten: Ein richtig und falsch gibt es bei der Frage nicht :-).


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